„Stell dir vor es ist Frieden und jeder geht hin“

In Deutschland gibt es rund 300 UNESCO-Projektschulen, weltweit etwa 11500 in 182 Ländern. Alle zwei Jahre wird vom UNESCO-Netzwerk ein internationaler Projekttag initiiert, der an die Verantwortung von allen Menschen gegenüber der Umwelt und den natürlicher Ressourcen appelliert sowie zur Schaffung von guten Lebensbedingungen ermutigt. Das Thema in diesem Jahr lautet frieden#haendereichen#brückenbauen.

Das Hans und Sophie Scholl-Gymnasium führte den Projekttag am 8. Februar mit der gesamten Schulgemeinschaft durch. Auch die ukrainischen Jugendlichen der Vorbereitungsklasse nahmen am Programm teil, das maßgeblich von der UNESCO-Gruppe des Gymnasiums unter der Federführung der Lehrerinnen Eva Zick, Nina Mühleisen sowie den Lehrern Dominik Weihs und Frank Mittelsdorf ausgearbeitet und geplant wurde.

Das Herangehen an das Projektthema erforderte viel Fingerspitzengefühl, zumal die unterschiedlichen Altersstufen einen jeweils anderen Zugang zur Thematik benötigten. Das Programm für alle Jahrgangsstufen bestand aus drei Teilen: in einer individuellen Auftaktveranstaltung sollten die Klassen an das Thema herangeführt werden, im anschließenden Format „Schüler unterrichten Schüler“ waren die Älteren aus den Kurstufen gefordert: sie stellten eigens ausgewählte Themen den Jüngeren vor. In einer Abschlussveranstaltung wurden die Erkenntnisse und Eindrücke des Tages reflektiert und in mögliche Vorsätze für das eigene zukünftige Handeln eingebaut.

Musiklehrerin Anni Lutz hatte zusammen mit Schülerinnen und Schülern den Song von Udo Lindenberg „Wozu sind Kriege da?“ neu aufgenommen. Mit diesem Input starteten alle Klassen in ihre Auftaktveranstaltung, der innerhalb kurzer Zeit auf Basis des Liedtextes und Bildern aus den aktuellen Kriegsgebieten intensive Gespräche darüber auslöste, welche Gründe es geben kann, weshalb Menschen einen Krieg beginnen: Gier, das Streben nach Geld und Macht, politischer oder religiöser Fanatismus, das Ziel der Unterdrückung oder gar Vernichtung von Volksgruppen, Rassenideologien, der Kampf um Ressourcen oder das Streben nach einem rumvollen Platz in den Geschichtsbüchern – die Liste der Gründe scheint unendlich und bedrückend lang.

Die Unterstufenklassen spielten daraufhin das „Weltspiel“: eine große Weltkarte wurde hierzu auf dem Boden ausgebreitet, anschließend legten die Kinder nacheinander je einen Holzklotz, der für einen Einwohner steht, auf einen der Kontinente. Es ging um die Veranschaulichung der Bevölkerungsdichte – als alle ihren Klotz gesetzt hatten, musste noch etwas korrigiert werden, um die Realität darzustellen, aber alle wussten nun, wie viele Menschen ungefähr auf den jeweiligen Kontinenten und in bestimmten Regionen leben. Viele hat überrascht, dass in Australien nur etwa 6% der gesamten Erdbevölkerung lebt. Das gleiche Spiel wurde dann mit Bonbons und Luftballons gespielt. Die Bonbons standen für den Reichtum der Bevölkerung, die Luftballons für den Pro-Kopf-Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2. „Gerechtigkeit sieht anders aus,“ konstatierte eine Fünftklässlerin.

Die Siebtklässler betrachteten knapp 40 Bilder, die in den Klassenzimmer aufgehängt wurden. In Ruhe konnten die Aufnahmen betrachtet werden, welche Friedens- und Kriegszustände zeigten. Anschließend stellte sich jedes Kind zu dem Kriegsbild, das es am meisten beschäftigt hatte und aus dem persönlich der dringendste Handlungsbedarf hervorging. Man tauschte sich dazu dann rege aus. Entsprechend blieb jeder auch vor einem Bild stehen, auf dem Frieden am ehesten abgebildet wurde. Auf roten Kärtchen notierten anschließend alle, was für jeden einzelnen Krieg, auf grünen Kärtchen Frieden bedeutet. In Kleingruppen wurden danach Bilder betrachtet, aus denen die Sorgen und Hoffnungen der darauf fotografierten Menschen herausgefiltert wurden. Die Siebtklässler notierten daraufhin ihre eigenen Zukunftsängste und Wünsche auf zwei weiteren farbigen Kärtchen und verglichen diese mit den Menschen, die in einem Krieg gefangen sind. Manche der Ängste waren die gleichen, der Ausbruch einen großen Krieges in Europa wurde am häuftigsten genannt.

Die Achtklässler beschäftigten sich mit dem Krieg in Syrien, die Neuntklässler mit dem zweiten Weltkrieg konkret im Raum Ulm. Dabei wurde über die Kriegsereignisse gesprochen und über die Gegenwart und Zukunft diskutiert. Ohne es beabsichtigt zu haben, gelang es dabei die beiden Begriffe „Krieg“ und „Frieden“ zu definieren und einen Rückschluss auf die eigene Verantwortung zu ziehen – eine Schülerin brachte es treffend auf den Punkt: „Frieden fängt im Kleinen an“.

Die zehnten Klassen wurden jeweils von einem Zeitzeugen besucht, der aus seinem Leben und der Flucht aus einem Krisen- oder Kriegsgebiet erzählte: Die junge Mina (Name von der Redaktion geändert) berichtete aus ihrem Alltag in Afghanistan. Da sie der ethnischen Gruppe der Hazara angehört, war sie in ihrer Heimat rassistischer Ressentiments ausgesetzt. Aufgrund dieser und der Konfrontation mit den Taliban floh sie mit ihrer Familie in den Iran. Dort lebte sie 20 Jahre lang als Flüchtling, erhielt aber nie irgendwelche Zeugnisse oder Dokumente. Anschließend führte sie ihr Weg in die Türkei, von dort nach Griechenland, wo sie in einem Flüchtlingslager lebte. Mit den dort ausgestellten Dokumenten konnte sie nach Deutschland weiterreisen. Ihren ersten Personalausweis bekam sie im Alter von 25 Jahren hier in Deutschland. Jetzt besucht sie die Abendschule und möchte weiter Mathematik studieren. Sie hofft auf eine friedliche Zukunft und ein sicheres Leben, in dem das Weglaufen nicht mehr zum Alltag gehört. In einer anderen Klasse erzählte Amir (Name von der Redaktion geändert) seine Geschichte. Auch er kommt aus Afghanistan, gehört aber einer anderen ethnischen Gruppe an. Seine Mutter arbeitete für ein deutsches Unternehmen, was eine Flucht nach der Machtübernahme durch die Taliban unumgänglich machte. Amirs Onkel starb, da eine Bombe in seinem Auto platziert wurde, seine Mutter konnten noch rechtzeitig nach Deutschland fliehen. Amirs Realschulabschluss wurde letztes Jahr anerkannt, jetzt möchte er noch das Abitur machen. In der letzten Klasse erzählte Aynur (Name von der Redaktion geändert)  ihre Geschichte: sie ist eine Uigurin und gehört damit zu einer kleinen ethnischen Gruppe in China. Die Uiguren werden in ihrer Heimat misshandelt, ins Gefängnis gesteckt oder sogar getötet. Deshalb flohen sie und ihre Mutter im Alter von 15 Jahren zunächst nach Dubai. Ihre Mutter arbeitete dort, wollte aber in ein europäisches Land gehen, da sie sich dort mehr Sicherheit versprachen. Über Umwege kamen sie schließlich nach Deutschland. Jetzt besucht sie ebenfalls eine Schule mit dem Ziel des Abiturs. Die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen zeigten sich sehr betroffen von den Ausführungen der drei Zeitzeugen, zeigten sie doch, dass Menschen nur durch das Verlassen der Heimat Sicherheit, Demokratie, Bildung und Frieden erreichen können – Werte, die für die Zehntklässler selbstverständlich zu sein schienen.

In der dritten und vierten Schulstunde, der zweiten Phase des Projekttages, waren die Oberstufenschüler am Zug. In „Schüler unterrichten Schüler“ präsentierten sie ihre vorbereiteten Themen den Jüngeren. Ronja und Miranda aus der KS2 griffen hierbei die Auseinandersetzung der Türkei und Griechenland auf. Lorenta und Alina aus der KS1 hatten sich mit der Geschichte der Olympischen Spiele auseinandergesetzt. Hannah und Mia diskutierten mit den Fünftklässlern über Streitereien in der Schule und was man als Schüler aber auch als Lehrer tun kann, um diese zu vermeiden oder zu lösen. David hatte sich das Thema „Fair-Trade“ herausgesucht – ohne faire Bezahlung könne es auch keine Gerechtigkeit geben. Tim, Aaby und Mattis lasen zusammen mit einer siebten Klasse die Rede „Niemals Gewalt!“ von Astrid Lindgren. Diese hatte sie 1978 bei der Verleihung des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gehalten. „Wie bestraft/erzieht man ein Kind ohne Gewalt?“ oder „Wo sind die Grenzen bei der Erziehung?“ sind Fragen, die die Älteren den Jüngeren stellten. Am Ende der Stunde erhielten die Siebtklässler einen Friedensvertrag, der gemeinsam ausgefüllt wurde.

Moritz griff das Thema „Frieden durch Krieg“ auf. Am Beispiel Afghanistan wurde die Frage aufgeworfen, was man tun kann, wenn scheinbar nur noch kriegerische Mittel zur Verfügung stehen, um einen Konflikt zu entschärfen. Auf Englisch unterrichten Ella und Mia über die Civil Rights Movements: diese begannen 1954 und endeten 1968. Ziel der Bewegung war die Abschaffung der legalisierten Rassentrennung, Diskriminierung und Entrechtung in den USA. Weitere Themen behandelten das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen in der Vergangenheit und Gegenwart, die Geschichte von Irland und die Relevanz der „Peace Bridge“, das Verhältnis von Israelis und Palästinensern und… Eine schier unglaubliche Anzahl von über 30 Themen wurden von den Oberstufenschülern zum Thema ausgearbeitet.

In der letzten Phase wurde das Erlebte reflektiert. Auf Zetteln wurde festgehalten, was persönlich am beeindruckendsten war und damit Plakate beklebt. Die Erkenntnisse und die damit verbunden Gefühle wurden ausgetauscht. Auf gebastelte Friedenstauben wurde geschrieben, was jeder selbst zum Frieden beitragen kann. Diese wurden an den Fenstern in den Klassenzimmern angebracht.

Zum Abschluss des Projekttags öffneten sich zeitgleich alle Türen im Schulhaus und zusammen mit dem Schülerchor sang die ganze Schule „Komm wir ziehen in den Frieden“, einem Song von Udo Lindenberg: „Lass sie nur sagen, dass wir Träumer sind, am Ende werden wir gewinnen, wir lassen die Welt nicht untergehen…“.

Text: Emilia Stoll (5d), Tibo Lizè (7a), Maya Zillhardt (7d), Julia Keppler (7e), Nalam Mokshadha, Evgenia Lazurenko, Nele Riedel, Alina Zeiger (alle 8a), Elif Celebi (9c), Laura Hilsenitz, Bhargavi Vegi (beide 10a) PAG

Fotos: FAG

Film: Oliver Thumm (8d), Ryan Stäuble Simon (8c), Nevena Manolova, Paula Salàt (beide 8b) FAG